Digital oder analog?

Geschätzte Lektüre: 6 Minuten

Die Abwägung, ob digitale oder analoge Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung zum Einsatz kommen sollen, ist keine einfache. Dazu gibt es (noch) keine vom Gesetzgeber vorgegebenen Entscheidungskriterien. Daher liegt dies im Ermessensspielraum der durchführenden Behörde. Der konkrete Nutzen digitaler Erörterungstermine ist stark kontextabhängig und wird von verschiedenen spezifischen Eigenschaften des Verfahrens bedingt. Anstelle von allgemeingültigen Entscheidungskriterien, können an dieser Stelle somit lediglich entscheidungsleitende Aspekte aufgeführt werden. Dazu gehört etwa die technische Ausstattung der zuständigen Behörde, die Zusammensetzung des Teilnehmenden-Kreises, die Konfliktintensität der Diskussion um das Verfahren und vieles mehr.

Generell ist in der Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung darauf zu achten, dass es sich um einen anschlussfähigen Prozess handelt. Skepsis und Bedenken in Bezug auf digitale Formate finden sich bei vielen Akteur*innen wieder, von Behörden über Vorhabenträger zu Umweltverbänden und Bürger*innen. Ein rücksichtsvoller Umgang mit persönlichen Unsicherheiten und anderen Hürden sowie ein kluger Einsatz von digitalen und analogen Formaten sind daher zentral für eine gelungene Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung.

Unklarheiten in Bezug auf digitale Öffentlichkeitsbeteiligung beziehen sich mitunter auf gesetzliche Regelungen, die wir im Abschnitt „Rechtliche Fragen“ detaillierter erläutern. Darüber hinaus beziehen sich Bedenken oftmals auf einen möglichen Verlust von Aspekten analoger Formaten, die besonders geschätzt werden und die im digitalen Raum nur schwer abzubilden sind, wie etwa informeller Austausch. Aber auch die Entstehung neuer Beteiligungshürden wird häufig thematisiert. Wie einigen Nachteilen digitaler Formate zu begegnen ist und diese zumindest teilweise kompensiert werden können, stellen wir im Folgenden kurz dar. In der Schritt-für-Schritt Anleitung unter „Digitaler Erörterungstermin“ geben wir dazu konkrete und ausführlichere Hinweise, wie dies praktisch umgesetzt werden kann.

Kompensation von Nachteilen digitaler Formate

Der Austausch und die Diskussion im analogen Raum wird oftmals als natürlicher und aktiver wahrgenommen. Zu einer guten Gesprächsatmosphäre im digitalen Raum tragen vor allem eingeschaltete Kameras aller Teilnehmenden bei. Durch die Videoübertragung der Teilnehmenden wird zudem das Verständnis durch nonverbale Kommunikation erleichtert. Darüber hinaus kann auch mit Moderationstechniken und digitalen Instrumenten im digitalen Raum eine dynamischere Diskussion angeregt werden. Vorteile von Diskussionen im digitalen Raum sind zudem, dass Redewünsche übersichtlich angezeigt werden (etwa durch spezifische Funktionen in der Software), das Rederecht über die Moderation klar verteilt wird und keine Nebengespräche stattfinden.

Bei digitalen Formaten entfällt zunächst der informelle Austausch zwischen den verschiedenen Teilnehmenden am Rande von Veranstaltungen. Für die Kleingruppengespräche in der Pause oder nach der Veranstaltung werden somit Alternativen benötigt. Um Möglichkeiten für spezifische Nachfragen oder einen direkten Austausch mit Behördenmitarbeitenden anzubieten, sollten etwa klare behördliche Ansprechpersonen benannt sein. Zudem können Sprechstunden sowie ergänzende informelle Formate in Präsenz oder Vor-Ort-Begehungen Austauschmöglichkeiten schaffen.

Darüber hinaus sollten die neuen Partizipationshürden digitaler Formate gezielt angegangen werden. Das betrifft insbesondere die Einbindung von Beteiligten, die aufgrund von digitaler Unerfahrenheit, fehlender oder mangelhafter technischer Ausstattung und Internetversorgung größere Hürden der Beteiligung erfahren. Um technische Unsicherheiten bei den Teilnehmenden anzugehen, können einige Maßnahmen umgesetzt werden: die frühzeitige Versendung einer übersichtlichen und bebilderten Erklärung zur Benutzung der jeweiligen Videokonferenz-Software, das Angebot eines Technik-Tests im Vorfeld der Veranstaltung und die Bereitstellung einer telefonisch zu erreichenden Ansprechperson während der Veranstaltung. Um fehlende oder mangelhafte technische Ausstattung und Internetzugang auszugleichen, sollte geprüft werden, ob Zugänge zu Endgeräten mit stabiler Internetverbindung in Behörden zur Verfügung gestellt werden können.

Abwägung zwischen digitalen und analogen Formaten

Als Hilfestellung für eine gute Abwägung zum Einsatz von digitalen bzw. analogen Erörterungsterminen finden Sie im Folgenden einige Leitfragen als Anregungen.

Bereich Leitfragen
Technische Ausstattung & personelle Kapazitäten

Verfügen Sie über die nötige technische Ausstattung für einen digitalen Erörterungstermin bzw. kann diese angeschafft werden? (s. Digitaler Erörterungstermin)

Können Sie ausreichend personelle Kapazitäten einplanen? Insbesondere bei wenig Erfahrung mit digitalen Formaten empfehlen wir ausreichend Vorlaufzeit in der Organisation vorzusehen. Bei der Durchführung der Veranstaltung benötigen Sie neben der Moderation mindestens eine weitere Person, die allein für die technische Umsetzung zuständig ist (s. Digitaler Erörterungstermin).

Verfahren & Kontext

Um was für ein Verfahren handelt es sich? Gab es bereits andere Öffentlichkeitsbeteiligungsformate zu diesem oder einem ähnlichen Vorhaben?

Was sind spezifische Erfahrungen mit dieser Art Verfahren und/oder Öffentlichkeitsbeteiligung in der Region? Gibt es Erfahrungen mit digitalen Formaten in der Region?

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage und die Stimmung der Beteiligten in Bezug auf das Verfahren ein? Was wird im Verfahren gerade vor allem benötigt?

Gab es bereits vorgelagerte oder ergänzende analogen Formate?

Konnten sich die Teilnehmenden in analogen Formaten bereits kennenlernen, kann dies die Kommunikation in einem digitalen Format deutlich erleichtern.

Welchen spezifischen Vorteil hätte ein analoges bzw. ein digitales Format in diesem Verfahren?

Zusammensetzung des Teilnehmenden-Kreises

Wer beteiligt sich (voraussichtlich) an dem Verfahren?

Ist vor allem mit einer Beteiligung von Fachbehörden und Umweltverbänden zu rechnen, kann das die Durchführung eines digitalen Formates deutlich erleichtern. Für einen spezifischen fachlichen Austausch im eher kleinen Rahmen eignet sich ein digitaler Erörterungstermin besonders gut.

Größe des Erörterungstermins

Wie viele Teilnehmende werden zum Erörterungstermin ungefähr erwartet?

Videokonferenzen mit einer kleineren Anzahl von Personen sind leichter durchzuführen und vor allem für den Einstieg in digitale Formate gut geeignet. Sowohl technische Aufgaben als auch Anforderungen an die Moderation sind bei kleineren Gruppengrößen (bis zu ca. 20 Personen) überschaubar.

Gleichzeitig ist ein großer Vorteil digitaler Erörterungstermine die Größe und Flexibilität des digitalen Raumes. So können auch sehr viele Personen teilnehmen, ohne dass im Vorfeld ein Raum für eine feste Anzahl an Teilnehmenden und einen bestimmten Zeitraum gesucht und gebucht werden müsste.

Konfliktintensivität des Verfahrens

Wie ist die potenzielle Konfliktintensivität des Verfahrens einzuschätzen?

Bei einer eher hohen Konfliktintensität und intensiven Diskussion bieten sich vor allem analoge Formate an, bei denen die Vertrauensbildung zwischen den Teilnehmenden eine höhere Relevanz aufweist. Dabei spielt vor allem der direkte Kontakt und der persönliche Dialog, der informelle Austausch am Rande der Veranstaltung, der Wegfall potenzieller technischer Störfaktoren sowie die Präsenz der Beteiligten vor Ort eine wichtige Rolle. Bei geringer Konfliktintensität können sich digitale Formate hingegen anbieten.

Artikel teilen

Digital oder analog?

Oder Link kopieren

Inhaltsverzeichnis