Rechtliche Anforderung vor dem Inkrafttreten des PlanSiG 2020

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Die digitale Öffentlichkeitsbeteiligung ist in der Aarhus-Konvention, in europäischen Richtlinien sowie im Planungs- und Zulassungsrecht nur rudimentär angelegt. Die gesetzlichen Regelungen vor 2020 wurden den Digitalisierungserfordernissen auf der einen Seite und neuen Chancen der digitalen Beteiligung auf der anderen Seite nicht gerecht.

Aarhus Konvention

Um die Beteiligung der Zivilgesellschaft in Umweltangelegenheiten zu stärken, wurde 1998 die Aarhus-Konvention verabschiedet, welche am 30. Oktober 2001 in Kraft getreten ist (UN/ECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungen und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten). Es ist der erste internationale Umweltvertrag, der internationale Mindeststandards für den Zugang zu Umweltinformationen für alle Menschen, die Beteiligung an umweltbezogenen Entscheidungen und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten festlegt.

Anforderungen an Formen der digitalen Öffentlichkeitsbeteiligung stellt die Aarhus-Konvention nicht, sie hatte jedoch 1998 schon moderne Kommunikationsinstrumente im Blick. So weist bereits die Präambel auf die Wichtigkeit elektronischer Kommunikationsformen hin. Und auch Art. 2 in Nr. 3 der Konvention zählt bei der Begriffsbestimmung zu Informationen über die Umwelt auch Informationen in elektronischer Form auf. Die digitale Transformation im Blick, normiert Art. 5 Abs. 3, dass jede Vertragspartei sicherzustellen hat, dass Informationen über die Umwelt zunehmend in elektronischen Datenbanken, die der Öffentlichkeit über die öffentlichen Telekommunikationsnetze leicht zugänglich sind, zur Verfügung stehen. Dazu gehören u.a. Umweltberichte, Umweltgesetze oder umweltbezogene Pläne oder Programme, sofern die Informationen bereits in elektronischer Form zur Verfügung stehen.

EU-Recht

Im EU-Recht fand sich eine erste Erwähnung elektronischer Medien bereits im Jahr 2003 in Art. 2 Abs. 2a der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten. In der Regelung wird normiert, dass die Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise durch öffentliche Bekanntmachung oder auf anderem geeigneten Wege, wie durch elektronische Medien, soweit diese zur Verfügung stehen, über Vorschläge für Pläne oder Programme unterrichtet wird und dass Informationen zu den Vorschlägen, zum Recht auf Beteiligung am Entscheidungsverfahren sowie über die zuständige Behörde, an die Stellungnahmen oder Fragen gerichtet werden können, zugänglich gemacht werden.

Der erste rechtliche Grundstein für die Digitalisierung der Beteiligung im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen wurde allerdings erst etliche Jahre später auf EU-Ebene gelegt. Die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten bestimmt in Art. 6 Absatz 5 Satz 2: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass die einschlägigen Informationen der Öffentlichkeit auf der angemessenen Verwaltungsebene elektronisch zugänglich sind, wenigstens über ein zentrales Portal oder über einfach zugängliche Zugangspunkte.“

Umsetzung in deutsches Recht

Die EU-Mitgliedsstaaten und so auch Deutschland hatten bis zum 16. Mai 2017 Zeit, die neuen Regelungen in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland wurden daraufhin in einer länderübergreifenden Kooperation die digitalen UVP-Portale des Bundes und der Länder entwickelt und via Internet für die Bevölkerung zugänglich gemacht.

Das Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten (Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz), welches u. a. das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) und das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) ändert, setzt gemeinsam mit dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz die europäische Richtlinie 2003/35/EG in deutsches Recht um. Beide Rechtsvorschriften sind am 15. Dezember 2006 in Kraft getreten.

Insbesondere 18, 20 UVPG

Insbesondere im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) gibt es Vorschriften, die die Beteiligung der Öffentlichkeit regeln. Durch die §§ 18 ff. UVPG wird Art. 6 des internationalen Aarhus-Abkommens umgesetzt. Es beruht auf dem gemeinschaftsrechtlichen Konzept der „informierten Öffentlichkeit“ (Hagmann 2018: § 18 Rn. 2) und regelt in § 18 Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 73 Abs. 3 S. 1 und Abs. 5-7 VwVfG das mündliche Anhörungsverfahren. § 20 Abs. 1 und 2 UVPG regelt dabei die Einrichtung zentraler Internetportale. Die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder sind danach zur Bereitstellung der UVP-Unterlagen für laufende Öffentlichkeitsbeteiligungen auf dem UVP-Portal des Bundes und der Länder verpflichtet. Die Daten müssen der Öffentlichkeit gem. § 4 Abs. 1 UVPPortV zugänglich gemacht werden, sodass sie von den Nutzer*innen des Internetportals gespeichert und ausgedruckt werden können.

Insbesondere § 27a VwVfG

Eine allgemeine Verwaltungsvorschrift bei Anordnung einer öffentlichen oder ortsüblichen Bekanntmachung ist § 27a VwVfG, wodurch die Behörde verpflichtet ist, den Inhalt der Bekanntmachung auch über eine Internetseite der Behörde oder ihres Verwaltungsträgers zugänglich zu machen. Dies gilt auch für dazugehörige zur Einsicht auszulegende Unterlagen.

Planungsbeschleunigung 2018

Darüber hinaus existierten bis 2020 nur vereinzelte Bestimmungen für die Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren im Infrastrukturbereich. Im Rahmen der Planungsbeschleunigung hat das PlBeschlG 2018 zu einer weiteren Stärkung der digitalen Öffentlichkeitsbeteiligung, die Verkehrswegeplanung betreffend und über §§ 27a VwVfG und 20 UVPG hinaus, geführt. Danach haben Vorhabenträger den Plan des Projektes im Internet zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung ersetzt jedoch nicht die analoge Auslegung, insbesondere, wenn an die Planauslegung im Einzelfall konkrete Rechtsfolgen geknüpft sind (wie z. B. gem. §§ 43, 43a EnWG i. V. m. §§ 73 Abs. 4 VwVfG oder 21 UVPG). Ähnliche Regelungen gibt es im Rahmen der beschleunigten Stromnetzplanung: §§ 9 Abs. 3 und 4 NABEG i. R. d. Bundesfachplanung als auch § 20 Abs. 3 und 4 NABEG i. R. d. Planfeststellungsverfahrens sehen die zusätzliche Veröffentlichung der Bekanntmachungen mit Auslegung der Planunterlagen im Internet vor (Schmidt & Kelly 2021: 247). Weitere Regelungen im Infrastrukturbereich finden sich in §§ 18f AEG, § 17 WaStrG und § 17g FStrG.

Auffällig ist jedoch, dass sämtliche bisher aufgezeigte Rechtsvorschriften lediglich der Bürger*inneninformation und nicht der Bürger*innenbeteiligung dienen (ebd.: 246). Erst im Zuge der COVID-19-Pandemie und den damit einhergegangenen Infektionsschutzmaßnahmen, die die Durchführung der (analogen) Öffentlichkeitsbeteiligung im Verwaltungsverfahren immens beeinträchtigten, wurden mit dem Planungssicherstellungsgesetz erstmals einheitliche Bestimmungen für die Durchführung von optionalen digitalen Verfahrensschritten in Planungs- und Genehmigungsverfahren erlassen.

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