Digitalisierung von Beteiligung

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Die Digitalisierung der Beteiligung von Bürger*innen entwickelt sich seit Jahren stetig weiter und kann verschiedenste Formen annehmen: Von der Online-Einsicht in Antragsunterlagen bis hin zur Einreichung von Ideen über Beteiligungsplattformen.

In Reaktion auf die COVID-19-Pandemie und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen erhielt die Öffentlichkeitsbeteiligung, wie viele andere Bereiche auch, einen starken Digitalisierungsimpuls. Vor allem durch das Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) aus dem Jahr 2020 wurde die Durchführung digitaler Beteiligungsformate in Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland vorangetrieben und gesetzlich verankert. Mehr Informationen zu den rechtlichen Entwicklungen in Bezug auf die digitale Öffentlichkeitsbeteiligung finden Sie im Abschnitt „Rechtliche Fragen“.

Das PlanSiG schuf somit einen Rahmen, digitale Beteiligungsinstrumente in diesem Kontext auszuprobieren und zu evaluieren (s. auch Ziekow et al. 2022). Zu diesen Instrumenten gehört die sogenannte Online-Konsultation, die im PlanSiG als Ersatz für den Erörterungstermin vorgesehen wird, und in der sich Teilnehmende schriftlich zu Verfahren äußern können. Anstelle einer Online-Konsultation kann auch, mit Einverständnis aller zur Teilnahme Berechtigten, eine Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden. Diese können als rein digitale Veranstaltungen stattfinden. Das bedeutet, dass alle Teilnehmenden virtuell über ein Videokonferenzsystem an dem Termin teilnehmen. Eine weitere Variante sind hybride Veranstaltungen, die analoge und digitale Komponenten kombinieren. Dabei findet eine Veranstaltung in Präsenz zeitgleich zu einer Videokonferenz statt, wodurch Teilnehmende sowohl vor Ort als auch online teilnehmen können. Mehr zu hybriden Formaten finden Sie unter „Wissen vertiefen“.

Aus den bisher gesammelten Erfahrungen aus Verwaltung und Zivilgesellschaft geht hervor, dass die schriftliche Online-Konsultation nicht den dialogischen Austausch eines Erörterungstermins ersetzen kann (s. auch Ziekow et al. 2022). Für den direkten Austausch sowie eine höhere Akzeptanz des Ergebnisses spielt die unmittelbare und dialogische Kommunikation zwischen Einwender*innen, Behörden und Vorhabenträgerin eine zentrale Rolle. Ein digitaler Erörterungstermin in Form einer Videokonferenz bietet daher einen großen Mehrwert im Vergleich zu einem schriftlichen digitalen Austausch, da hier die Möglichkeit des Dialogs besteht. Allerdings findet in der Praxis das Format des digitalen Erörterungstermins bisher nur wenig Anwendung. Der Leitfaden „Digitale Beteiligung souverän gestalten“ setzt an dieser Stelle an und zielt darauf ab, Hürden bei der Planung und Durchführung solcher Formate gezielt abzubauen.

Digitale Öffentlichkeitsbeteiligung, vor allem in Form von digitalen Erörterungsterminen, steht somit noch vergleichsweise am Anfang. Nichtsdestotrotz birgt die Digitalisierung auch in diesem Bereich viel Potenzial. Bei der Planung und Durchführung von digitalen Formaten ist allerdings zu beachten, inwiefern Versprechen der Digitalisierung von effizienteren, niedrigschwelligen und schnelleren Prozessen wirklich erfüllt werden können. Wir werfen daher einen genaueren Blick auf vier Mythen, die sich um die digitale Öffentlichkeitsbeteiligung ranken.

"Digitale Öffentlichkeitsbeteiligung ist niedrigschwelliger."

Digitale Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung bieten Chancen Beteiligungshürden abzubauen und weiten Teilen der Bevölkerung, insbesondere auch weniger beteiligungs-affinen Menschen, die Teilnahme zu erleichtern. Durch die Ortsunabhängigkeit der Veranstaltung und auch des damit verbundenen Wegfalls der Anfahrtszeiten können Menschen den digitalen Erörterungstermin leichter in ihren Alltag integrieren. Das kommt insbesondere Personen zugute, deren Zeitkapazitäten stark begrenzt sind, wie jene mit einer hohen Arbeitsbelastung. Die Möglichkeit von zuhause aus teilzunehmen kann zudem vor allem für Menschen mit kleinen Kindern oder anderer Fürsorgeverantwortung ein großer Vorteil sein. Auch kann es Personen die Teilnahme erleichtern, deren Mobilität eingeschränkt ist. Hinzu kommt, dass die Teilnahme per Videokonferenz von Personen, die über wenig Beteiligungserfahrung verfügen, als eine geringere Hürde wahrgenommen werden kann, da sie aus einem vertrauten Umfeld heraus teilnehmen können und den unbekannten und teils formelleren Rahmen einer Präsenzveranstaltung vermeiden können. Darüber hinaus kann das digitale Format vor allem für jüngere Generationen eine attraktivere Form der Beteiligung verkörpern und somit Bevölkerungsgruppen einen Zugang zu formeller Öffentlichkeitsbeteiligung verschaffen, die bisher nur wenig Berührungspunkte mit dieser Form der Beteiligung haben.

Gleichzeitig bringen digitale Beteiligungsformate neue Hürden mit sich. So kann fehlendes technisches Wissen oder mangelnde technische Infrastruktur eine große Herausforderung für die Teilnahme darstellen. Hiervon betroffen sind insbesondere ältere Bevölkerungsgruppen, Personen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status sowie jene, die in peripheren Regionen leben (Kneipp 2020: 5; Kuder 2020: 4). Auch technikskeptische oder -averse Personen können die digitale Beteiligung als Barriere wahrnehmen.

Es wird somit deutlich, dass aufgrund verschiedener Bedürfnisse und unterschiedlicher Affinität zu Technik in der Gesellschaft digitale Beteiligungsformate einerseits Hürden in der Beteiligung abbauen, andererseits neue entstehen lassen können. Daher gilt es in der Umsetzung diese potenziellen Barrieren im Blick zu behalten und sie gezielt anzugehen. Mehr dazu finden Sie im Abschnitt „Abwägung zwischen digitalen und analogen Formaten“ und praktische Hinweise in der Schritt-für-Schritt-Anleitung „Digitaler Erörterungstermin“.

"Digitale Öffentlichkeitsbeteiligung ist weniger aufwendig."

Bei der digitalen Öffentlichkeitsbeteiligung entfallen einige organisatorische Aufgaben. Dazu gehören etwa die Raumsuche für analoge Veranstaltungen sowie Anfahrtszeiten. Hierin steckt Potenzial für effizientere Abläufe. Doch auch wenn die digitale Beteiligung langfristig Aufwände senken kann, so geht mit ihr vor allem zu Beginn oftmals ein gewisser zusätzlicher Zeit- und Organisationsaufwand einher. Wenig Erfahrung mit digitalen Formaten, das Fehlen eingespielter Abläufe sowie neue Aufgaben und Verantwortlichkeiten können zunächst einen Mehraufwand bedeuten. Die im Praxisleitfaden bereitgestellten Hintergrundinformationen, praktischen Hinweise, Übersichten und Vorlagen sollen dabei unterstützen, die Planung und Durchführung von digitalen Formaten zu erleichtern sowie den Zeit- und Organisationsaufwand zu reduzieren.

"Digitale Öffentlichkeitsbeteiligung ist kostengünstiger."

Digitale Formate verursachen teils hohe Kosten (Hilkenmeyer et al. 2021). Diese Kosten sind vor allem dann hoch bzw. im Vergleich zu analogen Formaten höher, wenn noch wenig technische Ausstattung und Erfahrung mit digitalen Formaten vorhanden ist. Kostenersparnisse sind dann zu erwarten, wenn die Abläufe der digitalen Öffentlichkeitsbeteiligung etablierter sind, wodurch der Zeit- und Organisationsaufwand geringer wird, sowie die Kosten der technischen Ausstattung sich über Zeit amortisieren.

"Digitale Öffentlichkeitsbeteiligung ist schneller."

Mit der Digitalisierung von Beteiligung geht oftmals die Hoffnung auf gewisse Beschleunigungseffekte einher. Inwiefern digitale Erörterungstermine effektiv zu einer Beschleunigung von Verfahren beitragen, konnte bisher noch nicht umfassend festgestellt werden (Ziekow et al. 2022: 38-42).

Von Expert*innen aus Praxis und Wissenschaft wird allerdings betont, dass größere und grundsätzliche Beschleunigungseffekte voraussichtlich nicht durch die Digitalisierung von Beteiligungsformaten zu erzielen sind (ebd.). Auch zeiteffizientere digitale Formate garantieren keine kürzere Bearbeitungszeit der Einwendungen, eine schnellere sachliche Erörterung oder Beschlussfassung.

Es wird deutlich, dass die Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht automatisch zu besseren Verfahren führt. Der Einsatz von digitalen Beteiligungsformaten und die Etablierung dieser sollte somit gezielt erfolgen, um die Vorteile für alle Beteiligten zu nutzen und gleichzeitig den Prozess anschlussfähig zu gestalten. Der Praxisleitfaden gibt dazu viele Hinweise und Hilfestellungen.

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